Migräne und TCM

Die Abkürzung „TCM“ steht für „Traditionelle Chinesische Medizin“, die auch einfach nur „Chinesische Medizin“ genannt wird. Es handelt sich um eine eigenständige Heilkunde, die in China seit über 2000 Jahren entwickelt wird. War diese Medizin erst in Vietnam, Japan und Korea bekannt, beschäftigen sich mittlerweile auch viele „westliche“ Experten und Laien mit der TCM. Sie führt in unserer Gesellschaft noch immer ein kontroverses Dasein, weil sie wissenschaftlich zu großen Teilen nicht anerkannt ist und somit nur als „Alternativheilkunde“ in Betracht kommt. Allerdings gibt es auch Ausnahmen! Eine ist z. B. die Migräne, bei der die TCM als Schmerztherapie Anwendung findet. Damit wird ihrer Wirkung aber keine Rechnung getragen, denn die TCM kann weitaus mehr als nur punktuell gegen bestimmte Schmerzen zu wirken. Sie kann haargenaue Diagnosen stellen und eine umfassende, komplexe Therapie ermöglichen, statt nur symptomorientiert zu agieren. Die TCM kann auf jahrtausendealtes Erfahrungswissen zurückgreifen. Das macht die Schulmedizin keineswegs überflüssig, doch statt der oftmals starren wissenschaftlichen Kriterien, die intuitive Wege versperren, sollte man auch anderen Heilkunden eine gleichwertige Bedeutung beimessen. Voraussetzung ist natürlich eine genaue Kenntnis von Theorie und Praxis der Heilkunde. Die TCM hat den Vorteil, dass sie kein reines medizinisches Paradigma ist, sondern mit der Philosophie des Taoismus eng verbunden ist, weshalb die Denkweise, nach der die TCM agiert, in vielerlei Hinsicht nachvollzogen werden kann.

TCM im Überblick

Die Grundlage der TCM ist das taoistische Denken, dessen Basis wiederum u. a. die philosophischen Fragmente des Laotse sind. Kerngedanke ist das Taiji, was mit „das höchste Ganze“ übersetzt werden kann und die Gesamtheit von Yin und Yang darstellt, die die in Wandlung befindlichen Pole beinhaltet. In der TCM spielt zudem die 5-Elemente-Lehre eine Rolle, die das Prinzip von Yin und Yang weiter ausdifferenziert. Krankheiten entstehen, so die Annahme, aus Ungleichgewichten von Energien im Körper. Ziel der TCM ist es, die Ursache des Ungleichgewichts zu finden, das Gleichgewicht wieder herzustellen und so die Ursache zu beseitigen. Deshalb gibt es in der TCM auch ganz andere Diagnosekategorien als in der Schulmedizin. Hier wird eine Krankheit schnell mit einem Namen kategorisiert – z. B. Migräne. Migräne ist über ihre Symptome definiert, aber nicht über die Ursachen, weil diese nicht bekannt sind. In der TCM existieren solche Krankheitsbegriffe nicht. Es wird vielmehr die individuelle Konstitution des Patienten erfasst und ein Energiemuster erstellt, um nach den Ursachen von Störungen suchen zu können. So kann man z. B. in der TCM die Diagnose hören „aufsteigendes Leder-Qi“ oder „zu starker Wind“ oder „niedrige Yin-Energie des Magens“. Damit kann ein schulmedizinischer Patient wenig anfangen. Ein TCM-Therapeut kann damit aber arbeiten, denn wenn er weiß, dass die Energie der Leber zu stark aufsteigt, muss er nur gucken, mit welchem Organ die Leber korreliert und wo die energetischen Blockaden liegen. Hierfür gibt es das Meridiansystem. Ein Netzwerk aus vielen Energieleitbahnen im menschlichen Körper. Es ist nicht sichtbar wie Blutbahnen oder Nervenbahnen. Man kann es aber anhand der Wirkungen erfahren. Es ist gewissermaßen Körperwissen – etwas, das die evidenzbasierte Medizin anzweifelt; so auch die therapeutische Wirksamkeit der TCM. Sie gilt als pseudowissenschaftlich. Das schmälert aber nicht ihren Wert, denn im asiatischen Raum wendet man die Methoden schon sehr lange an. Würden sie nicht funktionieren, wozu würde man sie so lange fortsetzen? Die bekanntesten Methoden sind die Arzneitherapie, die Akupunktur, die Moxibustion, die Tuina, die Diätetik, Qigong und Taijiquan.

Migräne in der TCM und die Weiterentwicklung in der Schulmedizin

Starr definierte Krankheitsmuster gibt es in der TCM nicht. Es gibt im weitesten Sinne Syndrome. Somit gibt es auch nicht die Migräne, sondern den migränespezifischen Kopfschmerz in Kombination mit den Begleitsymptomen auf Basis energetischer Konstitutionen. Die Symptome werden auf dem Meridiansystem den entsprechenden Organen zugeordnet. Migräne ist z. B. auf aufsteigendes Leber-Yang zurückzuführen, ebenso auf aufkommenden Leber-Wind oder loderndes Leber-Feuer. Die Ursachen für diese energetischen Bewegungen können vielseitig sein und der TCM-Therapeut muss exakt kombinieren können, um die wahre Ursache zu finden. Somit gilt in der TCM Migräne nicht als unheilbar. Nun ist das Verständnis für die Diagnostik und Therapie in der TCM für das wissenschaftliche Denken des Westens schwierig, weil schlicht anders gedacht wird. Es gibt aber Möglichkeiten, die Erkenntnisse aus der TCM in schulmedizinische Konzepte einzuordnen. Hier sind vor allem biochemische und physiologische Muster zu nennen. Die fortschreitenden Laboruntersuchungen gestatten immer genauere Darstellungen biochemischer Zusammenhänge. Die TCM stellt Inhalte bereit, die die Chinesen vor über 2000 Jahren durch bloße Beobachtung erfasst haben. Diese Inhalte können heute mittels Laboruntersuchungen bestätigt werden. Als Arzt bekommt so Hinweise, auf welche Körperregionen man sich bei Krankheiten im Allgemeinen und der Migräne im Speziellen konzentrieren muss. Die Schulmedizin orientiert sich bei Migräne zu sehr auf Kopf und Gehirn, weil sie die Ursache sehr nah an der Stelle des Schmerzsymptoms vermutet. In der TCM konzentriert man sich nicht auf eine isolierte Stelle am Körper, sondern sieht den Körper als Ganzes. So kommen dann auch solche blumigen Diagnosekriterien wie das lodernde Leberfeuer zustande, wenn es um Kopfschmerzen geht.

Ein an der TCM ausgerichteter Therapeut wird nie nur die offensichtlichen Symptome einer Migräne erfassen, sondern auch nach anderen Störungen fragen, wozu u. a. Vorerkrankungen, Allergien und Regelbeschwerden gehören. Außerdem fragt er nach Essgewohnheiten, Wohnsituation, Beruf und letztlich allen relevanten Lebensbedingungen. Mensch und Umwelt sind untrennbar verbunden und beeinflussen sich. Wenn die Lebensbedingungen schlecht sind, wird der Körper krank. Doch nicht jeder reagiert gleich auf solche Bedingungen. Eine Person kann ohne krank zu werden in feuchteren Regionen leben während eine andere Person dort häufig Erkältungen bekommen würde oder unter allgemeiner Schwäche leiden würde. Deshalb ist es in der TCM wichtig, das individuelle Leben von Patienten zu erfassen, um die Zusammenhänge zu einem energetischen Muster erschließen zu können.

Vor diesem Hintergrund sind die acht Migränetypen entstanden, welche die Basis der Migränetherapie nach Dr. Selz sind. Diese Migränetypen gibt es in der TCM nicht. Es ist auch kein umfassendes Wissen der TCM nötig, um mit diesen Migränetypen agieren zu können. Sie helfen vielmehr, die aus der Labordiagnostik und der Anamnese erfassten Phänomene zu kategorisieren und die Ursachen der individuellen Migräne zu entschlüsseln. Zum Vorschein kommen nicht selten Ursachen, die man üblicherweise nie mit Migräne in Verbindung bringen würde. Wer würde z. B. denken, dass die Einnahme der Pille zu Migräne führen kann? Die Pille wird so selbstverständlich ab dem Jugendalter verordnet, dass kaum jemand darauf achtet, wie dies den Hormonhaushalt beeinflusst. Mit den Migränetypen und dem „ganzheitlichen“ Ansatz der TCM sind solche Entdeckungen keine Seltenheit, sondern bestätigen das, was in der TCM schon jahrhundertelang bekannt ist: Alles, beeinflusst alles, und die Kunst des Heilens liegt darin, jene Einflüsse zu entdecken, die das Gleichgewicht verschoben haben.